Die «Protokolle der Weisen von Zion» – Fakten und Fiktionen

Dr. Gregor Spuhler, Archivleiter, Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich

Die «Protokolle der Weisen von Zion» sind das einflussreichste Dokument des modernen Antisemitismus. In einem weltweit beachteten Prozess in Bern versuchten jüdische Organisationen in der Schweiz 1933, die «Protokolle» als Fälschung zu entlarven, um den Mythos der «jüdischen Weltverschwörung» zu widerlegen. Zu diesem Zweck konstruierten die Kläger eine Geschichte über die Urheber des Pamphlets, die bis heute tradiert wird. In jahrelanger Forschung, bei der die im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich befindlichen Akten eine zentrale Rolle spielten, ist es gelungen, neues Licht auf die Hintergründe und den Verlauf des Berner Prozesses zu werfen. Dabei wurden weitverzweigte Netzwerke einer «antisemitischen Internationale» aufgedeckt. Vor allem aber wurde die bisherige Sicht auf den Ursprung der «Protokolle» grundlegend revidiert. Historische Forschung, das zeigt dieses Beispiel, muss auch scheinbar gesicherte Fakten in Frage stellen und gelangt dadurch zu neuen Erkenntnissen.

Der ursprünglich vorgesehene Referent, Dr. Michael Hagemeister, Historiker und Slavist an der Ruhr-Universität Bochum, fällt leider wegen Krankheit aus.