Prof. Dr. Gebhard F. X. Schertler, Bereichsleiter Biologie und Chemie, PSI; Professor für Strukturbiologie, ETH Zürich
Röntgenstrahlen sind der Zauberstab der modernen Strukturbiologie. Ihre extrem kurzen Wellenlängen erlauben uns, atomare Abstände zu vermessen. Kombiniert mit der Zauberwelt der Proteinkristalle gibt uns dieses für Menschen unsichtbare Licht Zugang zur faszinierenden Welt der Proteinstrukturen. Proteine sind die Bausteine des Lebens; sie ermöglichen den Aufbau und die Steuerung der Zellen, aus denen unser Körper besteht. Die Proteinkristallographie sitzt an der Schnittstelle von Mathematik, Physik, Chemie und Biologie. Sie hilft uns, die Hieroglyphensprache der Biologie zu entschlüsseln und die molekularen Bausteine des Lebens sichtbar zu machen. Heute können wir z.B. im atomaren Detail dreidimensionale Bilder der Proteinfabrik, die wir Ribosomen nennen, erhalten. Wir können die tiefsten Geheimnisse der Fotosynthese ergründen. Mit Erstaunen entdecken und entschlüsseln wir eine Welt der Nano-Maschinen, die in Jahrmillionen dauernden Evolutionsprozessen entstanden ist. Mittlerweile sind die strukturbiologischen Erkenntnisse so weit gereift, dass wir anfangen können, sie technisch zu nützen. Wir verwenden diese Informationen, um bessere Medikamente zu entwickeln, es eröffnen sich neue Möglichkeiten in der Energietechnik, und wir sehen die Entstehung einer neuen Ingenieurwissenschaft, die physikalische, biologische, chemische und elektronische Komponenten integriert. Dieses völlig neue Feld der Zukunft nennen wir Molekulare System Ingenieurwissenschaft (Molecular Systems Engineering).